Jane - Eine Geschichte der Hoffnung

Mit zwölf Jahren trug sie Verantwortung, die kein Kind tragen sollte. Unsere Begegnung veränderte nicht nur ihr Leben, sondern auch meins. - Bericht von Sarah Disterheft

Ich lernte Jane im März 2021 kennen, als ich das erste Mal in Uganda war. Nachdem ich bereits einige Wochen in Uganda verbracht hatte, hörten wir eines Tages von einer älteren Frau im Nachbardorf, die gestorben sein sollte. Wenig später hieß es, es habe sich um einen Fehlalarm gehandelt, die Frau würde noch leben. Wir machten uns auf dem Weg, um zu schauen, ob wir vielleicht in irgendeiner Form helfen konnten.

Das Haus war fast leer. Nur eine Matratze lag in der Ecke, halb verdeckt von einem herunterhängendem Moskitonetz. Auf dem Boden saß Jane – zu diesem Zeitpunkt zwölf Jahre alt.

Sie lebte allein mit ihrer Großmutter. Der Vater war alkoholabhängig, die Mutter hatte den Kontakt abgebrochen und ist inzwischen verstorben.

Jane war also alleine mit ihrer Großmutter. Doch als sie neun Jahre alt war, wurde ihre Großmutter schwer krank. Sie litt an AIDS im fortgeschrittenen Stadium, konnte nicht mehr arbeiten und war dauerhaft geschwächt.

Mit 9 Jahren brach Jane die Schule ab, um ihre Großmutter zu pflegen. Sie wusch sie, versorgte sie, kochte, arbeitete bei Nachbarn auf dem Feld, um etwas Geld zu verdienen. Oft aß sie selbst nichts. Nach drei Jahren verschlechterte sich der Zustand der Großmutter rapide: In den letzten drei Monaten war sie vollständig bettlägerig, nicht wirklich in in der Lage zu essen oder Medikamente bei sich zu behalten. An besagtem Tag erlitt sie einen Kreislaufzusammenbruch und verlor das Bewusstsein. Als sie nicht auf Janes Ansprachen reagierte, verfiel das Mädchen in Panik und nahm an, sie sei gestorben. Doch sie kam etwas später wieder zu sich.

Wir zerbrachen uns den Kopf darüber, wie wir dem jungen Mädchen und ihrer Oma helfen konnten. Die Frau war so geschwächt, dass die mehrstündige Autofahrt über holprige Straßen in das nächste Krankenhaus nicht in Frage kam. Also wollten wir versuchen, die Großmutter zunächst etwas aufzupäppeln.

Wir brachten Jane am nächsten Tag zu einer kleinen Tagesklinik, um zu testen, ob sie ebenfalls HIV-positiv war - Gott sei Dank fiel der Test negativ aus. Ich unterhielt mich mit ihr, und da ich am nächsten Tag plante, in die Hauptstadt Kampala zu fahren, fragte ich sie, was ich ihr mitbringen könne. Nach langem Überlegen fiel dem Mädchen, das kaum mehr besaß als was sie am Körper trug, nur eine Sache ein: Seife, damit sie die Kleidung ihre Großmutter besser waschen könne.

Ich ließ Jane fünf Euro da (etwa 20.000 Uganda-Schilling), was für einige Tage Essen reichen sollte, und fuhr in die Hauptstadt. Während dieser Zeit starb ihre Großmutter. Jane war am Boden zerstört. Bei der Beerdigung brach sie mehrmals zusammen. Später erfuhren wir, dass sie von dem Geld saubere Unterwäsche für ihre Großmutter gekauft hatte, damit sie in Würde beerdigt werden konnte. Den Rest hatte sie aufgehoben.

Da niemand aus der Familie bereit war, Verantwortung für Jane zu übernehmen, stand sie alleine da. Ich beschloss, ihre Patenschaft zu übernehmen und für ihre Schulgebühren aufzukommen, damit sie in ein Internat ziehen konnte. Zum ersten Mal befand sie sich schließlich in einem geschützen Raum, schlief zum ersten Mal in einem richtigen Bett und wusste, dass sie jeden Tag drei Mahlzeiten bekommen und eine Schulbildung erhalten würde.

Ich war zu dieser Zeit noch in Uganda und konnte sehen, wie Jane sich innerhalb weniger Wochen veränderte. Obwohl sie noch lange unter ihrem Verlust litt, durfte sie erleben, wie es ist, einfach mal Kind zu sein. Sie durfte lernen, träumen, lachen. Ich habe habe wenige Wochen nach ihrem Einzug im Internat ein Bild von ihr gemacht, und ihr Lächeln darauf werde ich nie vergessen.

Heute besucht Jane die erste Klasse der weiterführenden Schule (Senior One). Sie hat Hoffnung. Und Pläne für ihre Zukunft.

Diese Begegnung hat mich tief berührt. Als ich zurück nach Deutschland kam, ließ mich ihre Geschichte nicht mehr los. Und sie blieb nicht die einzige. Ich begegnete weiteren Kindern mit ähnlich schweren Schicksalen. Ich erzählte Freunden und Bekannten davon – und immer mehr Menschen wollten helfen. Aus dieser Bewegung im Kleinen entstand schließlich United Children Africa.

Jane im März 2025, vier Jahre nach unserer ersten Begegnung: